60 Jahre Donauschwaben in Oberösterreich

Gedenkrede von Anton Ellmer am 19. Mai 2005 in Braunau Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Landsleute,

Es vergeht seit Wochen kaum ein Tag, an welchem nicht von Gedenken an die verschiedensten Verbrechen während des Zweiten Weltkrieges in den diversen Medien berichtet wird. Wenig hört man allerdings von offizieller Seite über die grausame Vertreibung und Verfolgung von Millionen Deutschen im Osten und Südosten Europas.
Das hat wohl auch der neue deutsche Bundespräsident Köhler bei seiner Kriegsende - Rede gemeint, als er sagte: “Man solle gerecht sein, auch für das eigene Volk”.
Die Erinnerung ist unverzichtbar. Gerade die Erinnerung an die grausame Vergangenheit soll eine Mahnung sowohl für die jungen Menschen von heute als auch für künftige Generationen sein, um eine Wiederholung für immer zu verhindern. Wir wollen daher die Erinnerung an das begangene Unrecht wach halten. Wir wollen uns erinnern, besinnen und mahnen. Wir wollen aber nicht Geschehenes aufrechnen, sondern wir wollen mithelfen, weiteres Leid zu verhindern.
An eine der vielen tragischen Ereignisse wollen wir uns heute und in den nächsten drei Wochen mit der
GEDENKAUSSTELLUNG hier in Braunau
besonders erinnern. An die DEPORTATION unserer jungen Landsleute zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion von 1944 bis 1949.
Dieser grausame Akt ist als Kollektivstrafe Russlands anzusehen, denn die Verwendung von deutschen Zwangsarbeitern war von russischer Seite von Anfang an eng mit dem Problem der Kriegsreparationen verbunden.

So gesehen mussten über hunderttausend Männer von 17 bis 45 und Frauen von 18 bis 25 Jahren, junge, unschuldige Menschen,

  • Ungarn Deutsche
  • Siebenbürger Sachsen
  • Banater Schwaben
  • Sathmarer Deutsche und
  • Donauschwaben

Kriegsschäden Deutschlands abarbeiten- nur weil sie Deutsche waren.

Deutsche, die in den Vielvölkerstaaten Ungarn, Rumänien und Jugoslawien integriert waren und gegenüber den jeweils angehörenden Staaten ihre staatsbürgerlichen Pflichten erfüllten. Menschen, die - politisch gesehen - nach dem Motto lebten: “Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist”.
Menschen also, die bei Gott an keinem Krieg interessiert, geschweige am Ausbruch desselben schuld waren. Ihre “Schuld” bestand lediglich darin, dass sie Deutsche waren.
Während die Siebenbürger Sachsen und die Sathmarer Nachkommen deutscher Siedler aus dem 12. bzw. aus dem 13. Jahrhundert sind, sind wir seinerzeitige “Ungarndeutsche”, wie wir bis zur Teilung nach dem Ersten Weltkrieg genannt wurden, bekanntlich Nachkommen jener Altösterreicher, die unter den österreichischen Kaisern Karl VI, seiner Tochter Maria Theresia und deren Sohn Josef II in dieses Land gerufen wurden und deren Aufbauwerk nach der Türkenzeit ohne Zweifel als eine der großen Kulturleistungen des alten Österreich zu werten ist.
Diese inhaltsschwere Wegstrecke von uns Donauschwaben mit dem alten Kaiserreich ist also sehr eng mit der österreichischen Geschichte gekoppelt.
Die Ausstellung, welche der Herr Kulturstadtrat POINTNER im Anschluss an die Rede vom Bundesobmann der Siebenbürger Sachsen, Pfarrer Mag. Volker PETRI eröffnen wird, gibt Zeugnis von einer Periode des Schreckens. Man traut sich Vieles nicht zu erzählen, weil es so unglaublich, weil es so unmenschlich ist. Was unser Schicksal in der Gesamtbetrachtung betrifft, so sind es Zehntausende die nicht überlebten, die auf die eine oder andere Art und Weise zu Tode kamen. Oft auf so bestialische Weise, dass man sie Menschen nie zutrauen würde.
Von den nach Russland in Viehwaggons Verschleppten, welche das Glück hatten zurückzukehren, sind heute einige unter uns. Noch gibt es also Zeitzeugen. Menschen die eben trotz des schweren Schicksals die Kraft hatten bis heute durchzustehen.
Die zwei Damen neben Frau Frach werden uns von den Strapazen und Qualen, die sei ausstehen mussten berichten. Über den Seelenzustand kann man zwar keinen objektiven Bericht geben, aber wenn wir versuchen, uns vielleicht das Schicksal jener Kinder vorstellen, die in den ersten Monaten nach Ankunft der Frauen dort geboren wurden; deren Weinen und Wimmern von Tag zu Tag leiser wurden - bis es ganz verstummte. Oder deren Mütter, die sich ursprünglich voller Stolz auf den Moment der Geburt freuten.
Wohl kaum, wenn überhaupt vorstellbar.
Ich habe ähnliches Wimmern von hunderten Kleinkindern im Vernichtungslager Rudolfsgnad wiederholte Male beim Vorbeigehen im sogenannten Kinderheim gehört, deren Mütter in den meisten Fällen eben nach Russland verschleppt waren. Es war also ein Wimmern und Weinen hier und dort- in beiden Fällen aber meistens bis zum letzten Atemzug dieser armen unschuldigen Kinder. Traurig
Ich war als gerade 14 jähriger aber auch Zeuge, als um die Weihnachtszeit 1944 sich die in unserem Dorf betroffenen jungen Menschen vor dem Gemeindeamt einfinden mussten. 67 junge Frauen und Männer standen dann in einer Reihe und harrten der Dinge. Ich habe die jungen Frauen gesehen, wie sie weinten, hofften, beteten. Kein Mensch hatte nur die geringste Ahnung, was mit diesem blühenden Leben geschehen wird. Kein Mensch fragte, was mit ihren Kindern geschehen soll oder wo sich diese befinden. Diese Frauen waren bereits vom normalen Leben ausgeschlossen und dann ging bekanntlich der Leidensweg für diese armen Geschöpfe erst los. Es kann wohl nur eine Mutter fühlen, was in diesen jungen Frauen ab dem Moment des Abschiedes vorgegangen sein mag.
In dieser Verbannung mussten sie bis zu 5 Jahren verbringen, soweit sie die Unterernährung, Kälte und sonstigen unmenschlichen Strapazen mit Glück überlebten.
Weitere Enttäuschungen und bittere Stunden kamen aber auch nach der Entlassung, denn

  • Sie hatten keine Heimat mehr, - ihr Hab und Gut war geraubt
  • Ihre Angehörigen waren in Arbeits- und Vernichtungslager interniert worden
  • Fast ein Drittel der Nichtgeflüchteten war zu Tode gekommen
  • Ihre Eltern und Großeltern waren innerhalb von zwei Jahren fast alle verhungert
  • hre Kinder waren tot oder vom Tito-Regime zur Umnationalisierung geraubt und noch so manches Schlimme und Unvorstellbare erwartete sie.

(Kondolf Evi…)

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Landsleute,

egal, ob die Unwissenheit oder die Scheu der Wahrheit ins Auge zu blicken, der Grund dafür gewesen ist, dass dieser Umstand heute in der breiten Öffentlichkeit so gut wie unbekannt geblieben ist – die Tragödie der Donauschwaben war viel zu groß, um sie dem Vergessen preisgeben zu dürfen. Genau in diesem Informationsdefizit liegt die Herausforderung für die Medien, genauer gesagt für die Chefredakteure der renommierten Blätter.
Ein so wesentlicher Teil der Geschichte kann in einem Europa, das gerade im Begriff ist, einen Quantensprung im Integrationsprozess zu vollziehen, nicht negiert werden. Eine ehrliche und vorbehaltlose Aufarbeitung der Vergangenheit, die letztendlich die Grundlage für ein friedliches Miteinander darstellt, basiert aber auf einer fundierten Kenntnis der historischen Ereignisse, deren Vermittlung in die Kernkompetenz der Medien fällt.
Ich glaube, es ist hoch an der Zeit, dass sich die verschiedenen Entscheidungsträger in der Medienbranche ihrer diesbezüglichen Verantwortung bewusst werden und dieser Genüge tun.
Erfreulich ist, dass es in Serbien bereits Menschen gibt, so z.B. die serbischen Geschichtsforscher STEVIC´ und Stefanovoc’, die öffentlich die Wahrheit aussprechen. Letzterer hat mit seinem Buch “Ein Volk an der Donau” ebenso viel Staub aufgewirbelt wie derzeit die Übersetzung in das Serbische von “Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien”. Das ist aber für die Wahrheitsfindung immens wichtig, denn was nicht in den Geschichtsbüchern steht, fällt früher oder später der Vergessenheit anheim.
Viele Menschen in Ex-Jugoslawien glauben nicht und können sich nach einer 50-jährigen Blockade der Medien und der lügnerischen Geschichtsschreibung auch nicht vorstellen, dass es in der ganzen Wojwodina Lager für unschuldige Menschen, vorwiegend Frauen und Kinder gegeben hat.
Beherzte serbische Männer erklären heute, dass die Vertreibung der Donauschwaben und der an ihnen verübte Völkermord ein großer Fehler war und meinen, wenn das nicht geschehen wäre, würden heute in der Wojwodina Verhältnisse wie in der Schweiz herrschen.
Was wir als Landsmannschaft aber weiterhin fordern müssen, ist eine Ungültigkeitserklärung der AVNOJ – Beschlüsse. Der serbische Historiker Stevic’ meint dazu öffentlich:
“Die Verpflichtung der künftigen Generationen in Jugoslawien ist, die dem deutschen Volke in Jugoslawien auferlegte kollektive Schuld zu annullieren, dass an den Deutschen in Jugoslawien verübte Verbrechen zu verurteilen und den Donauschwaben eine moralische Genugtuung zu geben”
Wir als Landsmannschaft unterstützen diese div. Projekte in Serbien, damit sie eine möglichst große Streuung erfahren, denn das wird ohnehin ein langwieriger Prozess werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Landsleute,

Die Landesleitung der Landsmannschaft der Donauschwaben in Oberösterreich hat sich entschlossen, diese Ausstellung nach Braunau zu holen, um der aufgeschlossenen Bevölkerung der Stadt und deren Umgebung die Möglichkeit zu geben, sich von dem ungeheuren Leiden der betroffenen jungen Menschen selbst ein Bild zu machen. Wie bei allen Aktivitäten in und rund um Braunau war es wieder einmal das Ehepaar Evi und Sepp Frach, die von der Idee bis zum Wegräumen in 3 Wochen alles bewerkstelligen.
Liebe Evi, lieber Sepp, ich weiß um Eure Bescheidenheit und statt einer langen Lobeshymne sage ich daher im Namen der Landesleitung einfach: Wir DANKEN Euch.
Einen herzlichen Dank darf ich auch den Banater Schwaben sagen, die die Bilder ausgesucht und zu einer Schau zusammengestellt und uns diese nun großzügigerweise zur Verfügung gestellt haben.
Als Landesobmann möchte ich aber auch unseren Dank an die Stadtverwaltung Braunau und alle damit befassten Personen richten, die es uns ermöglichen, in diesen schönen Räumen diese historische Ausstellung zu zeigen.
Weil es im Interesse der Jugend und somit im Interesse der Schulen liegen sollte, aus der Zeitgeschichte Erfahrungen für das Leben zu sammeln, wird diese Ausstellung über einen Zeitraum von 3 Wochen gezeigt. Dazu werden stets Zeitzeugen dem Lehrpersonal und den Schülern gerne Rede und Antwort stehen. Wir sind überzeugt, dass ein Besuch dieser Ausstellung den jungen Menschen eine Bereicherung ihres Wissens bringen wird.
Diese Gedenkausstellung wird überdies mit Bildern von der Verschleppung der Banater Schwaben in die BARAGANSTEPPE und der Donauschwäbischen Passion von Viktor Stürmer bereichert.
Ich verneige mich in Ehrfurcht und tiefer Trauer vor den unzähligen Verschleppten, denen eine Rückkehr nicht mehr möglich war, genauso vor jenen Menschen, die in unserer alten Heimat oder sonst irgendwo in Europa durch Kriegseinflüsse oder durch Gewaltanwendung in der Nachkriegszeit ihr Leben lassen mussten.
Ich will sagen: Vor ALLEN Menschen, die durch GEWALTHERRSCHAFT zu Tode kamen, denn die Opfer des Kommunismus sind keine Opfer zweiter Klasse.

Anton Ellmer

2017-02-06